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Bastian Schäfer arbeitet als Innovation Manager beim Flugzeughersteller Airbus in Hamburg – und diese Berufsbezeichnung könnte seine Tätigkeit nicht besser beschreiben. Seine Mission ist es nämlich, neue Möglichkeiten zu entwickeln, um Düsenflugzeuge effizienter und bequemer zu gestalten.
„Bequem“ bedeutet für manche Passagiere die Freiheit, während des Flugs moderne Technologien für Arbeit, Unterhaltung und zur Vernetzung mit anderen nutzen zu können. Andere verstehen darunter mehr Barrierefreiheit, mehr Privatsphäre oder einfach mehr Platz. „Wir stehen vor der Herausforderung, all diese Aspekte zu berücksichtigen und dabei flexibel und dynamisch vorzugehen“, so Bastian Schaefer.
Mit seinem Team, das das Airbus Concept Plane – eine Vision für das Düsenflugzeug des Jahres 2050 – entwickelt hat, prägt er die Art und Weise, wie Fluggäste in Zukunft reisen werden. Beispielsweise können Passagiere zukünftig ein individuelles Flugerlebnis wählen, das sich nach den gewünschten Aktivitäten richtet. Außerdem werden Flüge umweltfreundlicher sein. Das Flugzeug der Zukunft soll wesentlich leichter werden, weniger Treibstoff verbrauchen und damit weniger CO2 ausstoßen. Schäfer fügt allerdings auch hinzu: „Leichtigkeit bringt viele Vorteile mit sich, sie darf aber nicht auf Kosten von Stabilität oder Sicherheit gehen.“
Daher beruht diese facettenreiche Vision auf modernster Technologie, die sich die Ingenieure von der Natur abgeschaut haben: auf generativem Design.
Schäfer gehört zur Airbus-Gruppe „Emerging Technologies and Concepts“ in Deutschland, die von Peter Sander geleitet wird. Dieses kleine Team aus Ingenieuren – die Sanders wegen ihrer unkonventionellen Ideen auch schon einmal als „verrückt“ bezeichnet – arbeitet an Projekten, die industrielle Prozesse zukunftsfähig machen sollen.
Nach der Einführung des Concept Plane fingen die Mitglieder des Teams damit an, sich auf die Suche nach Komponenten zu machen, bei denen die von ihnen vorgeschlagenen neuen Technologien zum Einsatz kommen konnten. Sie entschieden sich schließlich für einen unscheinbaren, jedoch äußerst wichtigen Bestandteil des Flugzeugs: die Trennwand, die in der Kabine des Airbus A320 Passagierbereich und Bordküche trennt.
Die neue Trennwand sollte:
Um all diesen Anforderungen an den Entwurf zu entsprechen, war es nötig, von traditionellen Ansätzen des Ingenieurswesens Abschied zu nehmen.
Schäfer begann, mit Autodesk Research zu arbeiten und mithilfe von generativem Design die „bionische Trennwand“ zu entwickeln, wie das Team sie nannte.
Bei generativem Design handelt es sich um Technologie, die die evolutionären Designansätze der Natur nachahmt. Dabei werden am Anfang die Designziele festgelegt und dann alle möglichen Lösungsvarianten durchgespielt, um die beste Option zu finden. Mithilfe von Cloud Computing kann Software für generatives Design Tausende – oder sogar Millionen – von Designoptionen durchgehen, Konfigurationen testen und so in jedem Durchlauf lernen, was funktioniert und was nicht. Durch diesen Prozess können Entwickler noch nie dagewesene Möglichkeiten ausschöpfen, die weit über das hinausgehen, was ein Mensch allein leisten könnte, und so den effektivsten Entwurf erstellen.
Die bionische Trennwand von Airbus musste strenge Parameter in Bezug auf Gewicht, Belastungen und Verschiebungen einhalten, die auftreten, wenn im Falle eines Absturzes Fliehkräfte von 16g auf das Flugzeug wirken. Das Team wollte die beste Art und Weise finden, diesen Anforderungen zu begegnen und das Flugzeugskelett zu optimieren. Daher schrieben die Ingenieure für die Software für generatives Design Algorithmen, die auf zwei Wachstumsmustern aus der Natur basierten: dem der Schleimpilze und dem von Säugetierknochen.
Beim so entstandenen Entwurf handelt es sich um eine Gitterstruktur, die willkürlich wirkt, jedoch darauf ausgelegt wurde, sowohl stabil als auch leicht zu sein und beim Bau so wenig Material wie möglich zu benötigen.
Schleimpilze
Der Algorithmus für den Rahmen der Trennwand basierte auf den Wachstumsmustern von Schleimpilzen, einzelligen Lebewesen, die mehrere Punkte mit verblüffender Effizienz verbinden können.
Säugetierknochen
Der Algorithmus für die Struktur innerhalb des Trennwandrahmens wurde auf Grundlage der Rastermuster von Säugetierknochen entwickelt. Die Kochen weisen eine Struktur auf, die an stark belasteten Stellen dichter ist als an allen anderen.
45 % leichter als traditionelle Entwürfe für Airbus-Trennwände
Das Team verglich digital die Tausenden von Optionen, die während des generativen Design-Prozesses entstanden waren, in Bezug auf Gewicht, Belastbarkeit und Stabilität, um die beste Option zur Herstellung eines Prototyps zu finden. Hergestellt wurde die Trennwand dann mittels 3D-Druck – auch als additive Fertigung bezeichnet –, ein Verfahren, bei dem durch Aufschichtung von Werkstoffen nach einem digitalen Modell dreidimensionale Gegenstände hergestellt werden.
Mehr als 100 Einzelteile aus einer hochbelastbaren, von Airbus entwickelten Metalllegierung wurden mittels 3D-Druck hergestellt und anschließend zusammengebaut. Die so entstandene bionische Trennwand ist die weltweit größte durch 3D-Druck hergestellte Komponente einer Flugzeugkabine und übersteigt sogar die Ansprüche des Airbus-Teams – stabiler, dünner und leichter als die Vorgängerversion.
Im Sommer 2016 werden abschließende Belastungstests für die Trennwand durchgeführt, bevor eine Zertifizierungsprüfung durch die Luftfahrtbehörden stattfindet. Wenn die Tests abgeschlossen sind, könnte die Trennwand bis 2018 in kommerziellen Flugzeugen der A320-Serie eingesetzt werden.
„Für unsere Flugzeuge haben wir bereits kleine 3D-gedruckte Komponenten eingeführt, wie etwa die Klammern, mit denen die Kabinenräume befestigt sind. Wir hatten es uns zum Ziel gesetzt, eine Art Etappenplan festzulegen, von der Situation heute mit den kleinen gedruckten Komponenten bis hin zur großen Vision des Airbus Concept Plane. Die bionische Trennwand ist ein richtungsweisendes Projekt, bei dem wir die Entwicklung des 3D-Drucks für unseren Fertigungsprozess vorantreiben konnten.“
3.180 KILOGRAMM GESPARTER TREIBSTOFF PRO TRENNWAND UND JAHR
Bei der bionischen Trennwand handelt es sich zwar um einen relativ kleinen Teil des Flugzeugs, doch durch den Einbau dieser leichteren Komponente können Fluggesellschaften allmählich zum Umweltschutz beitragen. Für jedes Kilogramm (2,2 Pfund) an Gewichtsverringerung sinkt der Treibstoffverbrauch um 106 Kilogramm (233,2 Pfund) pro Jahr, wodurch bei Flugreisen weniger CO2 ausgestoßen wird. Jede Trennwand ist ungefähr 30 Kilogramm (66 Pfund) leichter als die Standardtrennwand.
166 TONNEN CO2-EMISSIONEN WENIGER PRO JAHR UND FLUGZEUG, FÜR EINEN AIRBUS A320 MIT EINGEBAUTEN BIONISCHEN TRENNWÄNDEN
Werden überall in der Kabine eines Airbus A320 bionische Trennwände eingebaut, also vier pro Flugzeug, kann dies zu einer Gewichtsverringerung von bis zu 500 kg (1,102 Pfund) führen. So würde weniger Treibstoff verbraucht, wodurch sich die CO2-Emissionen pro Flugzeug und Jahr um bis zu 166 Tonnen verringern würden. Wenn Sie diese Zahl mit den Tausenden an bestellten neuen A320-Maschinen multiplizieren, wird das ganze Einsparpotenzial deutlich: Fluggesellschaften könnten ihren CO2-Ausstoß um Hunderttausende Tonnen pro Jahr verringern.
95 % WENIGER ROHMATERIALIEN
Außerdem verbessert sich durch den 3D-Druck die Umweltverträglichkeit des Unternehmens. Bei diesem Verfahren werden nur 5 % der Rohmaterialien benötigt, die bei der konventionellen Herstellung verbraucht werden, bei der die Teile aus einem Metallstück gefräst werden. Darüber hinaus können übrig gebliebene Rohmaterialien beim 3D-Druck für die Herstellung eines anderen Teils wiederverwendet werden.
„Wir sind fest entschlossen, die Treibhausgasemissionen unserer Produkte bis 2050 um 50 % zu verringern, und dazu müssen wir neue Technologien entwickeln, die Flugzeuge wesentlich leichter machen. Das Gewicht einer Komponente wie der bionischen Trennwand konnten wir nur durch die Kombination von generativem Design und 3D-Druck ganz einfach um 45 % reduzieren.“
Die lehrreichen Erfahrungen, die Airbus beim Entwurfsprozess für die bionische Trennwand machen konnte, werden prägend sein für die Veränderung der Vorgehensweise für Entwurf und Herstellung eines gesamten Flugzeugs. Die nächste Generation Airbus-Flugzeuge – mit auf generativem Design basierenden Komponenten, die durch 3D-Druck aus innovativen Materialien hergestellt wurden – wird uns der Vision bionischer Verkehrsflugzeuge des Jahres 2050 ein gutes Stück näher bringen. Airbus plant, diese Methoden auf größere Strukturen innerhalb des Flugzeugs auszuweiten, beispielsweise auf die Cockpit-Wand, die doppelt so groß wie die Trennwand ist und zum Schutz der Piloten kugelsicher sein muss, oder die Struktur, in der die Bordküche für den Essens- und Getränkeservice untergebracht ist.
Doch der Erfolg von Airbus bei der Anwendung von generativem Design und 3D-Druck macht auch neue Herausforderungen deutlich. Die additive Fertigungsbranche muss größere, schnellere 3D-Drucker produzieren, damit große Komponenten mit einem einzigen Drucker hergestellt werden können. Darüber hinaus wird es entscheidend sein, Ingenieure dafür zu schulen, diese neuen Entwurfs- und Herstellungsmethoden zu verstehen. Erst vor kurzem hat Airbus mit der Fortbildung seiner 10.000 Ingenieure begonnen, daneben finanziert das Unternehmen fünf Professuren an deutschen Universitäten.
„Ich bin seit mehr als 30 Jahren als Ingenieur im Bereich Maschinenbau tätig“, meint Peter Sander.„Und das hier ist die größte Veränderung, die ich je erlebt habe. Wir müssen alle eine völlig neue Arbeitsweise verstehen lernen.“